Es war einmal ein Mädchen, die hieß Cecilia. Sie
war ein Glückskind, am Ostersonntag geboren. Jeden Tag wurde sie
überschüttet mit dem Segen des Himmels und diese Liebe, die sie
erfuhr, schenkte sie weiter. Sie war ein Sonnenschein für die Welt
und jeder mochte sie. Cecilia heiratete früh einen lieben Mann und
bekam vier Kinder. So lebten sie vergnügt und in Frieden, 30 Jahre
lang. Als die Kinder groß waren, wurde ihr Mann schwer krank.
Täglich flehte sie den Segen des Himmels an, ein Wunder geschehen zu
lassen. Sie bat, sie schrie, sie drohte, sie versuchte, das
Unabwendbare abzuwenden und sie war sich sicher bis fast zuletzt:
„Als Glückskind würde ihr das gelingen.“ Doch nach einem halben
Jahr war ihr Mann gestorben und sie allein.
Cecilia weinte viel, denn sie hatte ihren Mann
sehr geliebt, immer noch glaubte sie von sich, stark zu sein und sie
war der Meinung, als Glückskind könne man doch keinen Schmerz
zeigen. So wurde ihr Leben immer kälter, bis ihr Herz gefror und sie
den Schmerz nicht mehr spüren musste. Nach außen lächelte sie
weiterhin. Doch das Lächeln kam nicht mehr aus dem Herzen. Den Segen
des Himmels, der sie immer noch täglich zu berühren versuchte, den
konnte sie nun nicht mehr spüren - den wollte sie auch nicht mehr
spüren. Warum hatte er sie nicht davor bewahrt, so etwas
Schreckliches zu erleben? Sie war doch ein Glückskind und hatte ein
Anrecht auf Hilfe. Warum hatte der Segen des Himmels ihren Mann nicht
wieder gesund gemacht? Der Segen konnte nicht das sein, was er
versprach. Er konnte nicht allmächtig sein. Nein, mit ihm wollte sie
nichts mehr zu tun haben. Er hatte sie verraten.
Doch der Segen des Himmels gab nicht so schnell
auf, sonst wäre es ja nicht der Segen des Himmels. Täglich besuchte
er sie, saß still und ungesehen an ihrer Seite und wenn sie schlief
und sich nicht abwenden konnte, hüllte er sie ein mit zärtlicher
Geborgenheit.
Als ein Jahr vergangen war, schickte der Segen des
Himmels ihr einen neuen Mann. Sie verliebte sich Hals über Kopf -
Liebe auf den ersten Blick. Und das mit einer Leidenschaft und
Heftigkeit, die nur Glückskinder in sich kennen. Es war eine
berufliche Begegnung und so war es schwierig, ein erneutes Treffen
einzurichten. Aber Cecilia schrieb gerne, und so gestand sie ihm ihre
Liebe per Email und überschüttete ihn fortan mit Liebesbriefen. Der
Auserkorene aber wollte von ihr nichts wissen, schrieb selten zurück
und sagte mehrfach Treffen wieder ab. Die Abweisung und der
Liebeskummer taten ihr so weh, dass sie endlich aus ihrer Lethargie
erwachte. Sie weinte und weinte, Tage, Wochen und währenddessen
schrieb Cecilia sich alles von der Seele. Und die Worte, die sie
schrieb, wärmten ihr Herz und das Eis fing an zu tauen. Mehr als um
den Liebeskummer weinte sie allerdings um die verlorene Liebe zu
ihrem verstorbenen Mann. Das Weinen und Schreiben half ihr, ein Stück
weit zurück zu finden in ihre alte Kraft und neuen Mut zu schöpfen.
So wollte sie ein neues Leben beginnen mit einem
neuen, liebevollen Mann an ihrer Seite und das erste Mal seit langem
wandte sie sich wieder an den Segen des Himmels und bat ihn um den
Richtigen. Drei Wochen später begegneten sich die Beiden. Er auch
ein Glückskind, auch am Ostersonntag geboren, nur 20 Jahre früher
als sie. Sie passten wirklich wundervoll zusammen. Ihre Liebe war
zärtlich, leidenschaftlich und lustvoll. Obwohl sie beide vor
Energie sprühten, gingen sie sehr achtsam miteinander um und jeder
respektierte die Wunden des anderen. Auch er hatte sich vom Segen des
Himmels abgewandt, war voller Schmerz und Depression durch dunkle
Täler gegangen und nun halfen sie sich gegenseitig, sich wieder zu
erinnern, dass sie Glückskinder waren, ständig vom Segen des
Himmels begleitet.
Das Licht und die Liebe kehrten in das Leben der
beiden zurück und sie waren sehr glücklich. Nur das Verhältnis zum
Segen des Himmels, das war noch immer nicht alltäglich und
selbstverständlich, von Überschütten noch lange nicht die Rede.
Irgendwie war da ein Groll und dieses unausgesprochene „Warum?“.
Cecilia wusste, dies war die falsche Frage und gegen Gott Groll zu
hegen, das fand sie auch nicht angemessen. Sie schämte sich für
ihre Zweifel und das mangelnde Vertrauen in das Leben, versteckte den
Groll vor sich selbst und schluckte das „Warum?“ herunter, statt
es auszusprechen oder aufzuschreiben. Dies alles stand also immer
noch zwischen ihr und dem Segen des Himmels und sie konnte die
Geschenke und die Liebe immer noch nicht wirklich annehmen und leben.
Der Segen des Himmels in seiner allmächtigen
Weisheit wusste auch hier Rat. Da Cecilia ja viel und gerne schrieb,
riet er ihr über ihre innere Stimme, zu beginnen, Kurse über
Schreiben zu geben und es zuvor erst mal selbst zu lernen und sich
mit kreativem Schreiben und Schreibtherapie auseinander zu setzen.
Der erste Kurs, den sie besuchte hieß: „Das Leben wagen.“ Der
Segen des Himmels musste einiges umwerfen, um ihr zu ermöglichen,
den Kurs zu besuchen, andere mussten sich wieder abmelden, damit ein
Platz frei wurde und Termine, die parallel oder zu nah gelegt waren,
mussten ausfallen. Doch es gelang und Cecilia ging zu dem Kurs.
Jede Nacht nach dem Kurs schrieb sie weiter bis
lang nach Mitternacht. Und die Übungen des Tages und das selbst
gestaltete Schreiben der Nacht halfen ihr, sich erneut ins Leben zu
wagen. Mit dem Mut und der Kraft, die nur Glückskinder kennen,
schrieb sie sich frei. Sie beschloss, es zu wagen, sich wieder ganz
und gar vom Segen des Himmels beschenken zu lassen, ohne wenn und
aber. Und als sie es zuließ, kam ein Goldregen vom Himmel, berührte
ihr Herz und die Wunden begannen, sich wieder zu schließen.
Und während das Herz heilte, entstanden drei
Fragen: Was ist, wenn ich das „Warum?“ sterben lasse? Was ist,
wenn ich den Groll auf Gott sterben lasse? Was ist, wenn ich meine
Geschichte sterben lasse?
Und sie ließ sich ein, probierte aus, sprang in
den Segen des Himmels, ließ alles hinter sich, bis sie nackt und
frei heimkehrte und in die Arme ihres Liebsten fiel.
Und wenn sie es weiterhin wagen, ins Leben hinein
zu sterben, dann lassen sich die beiden Glückskinder immer noch
täglich vom Segen des Himmels überschütten und teilen ihre Liebe
und Freude mit der Welt.
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